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15 Aug

Zingst im Spiegel

Zingst für Fotografen 

Kraniche – knips. Windflüchter – knips. Apfeltorte – knips

Wenn der Sommer zu Ende geht, wird der Zingst interessant für Fotografen und Naturfans. Das Licht wird sanfter, die Kraniche fliegen ein – und die urwüchsigen Dünenlandschaften lassen sich in Ruhe per Rad erkunden.

DPA

Der Bodden, die Ostsee, die Vögel – als es Jens Bassek in seiner Jugend aus Sachsen nach Fischland-Darß-Zingst verschlug, blieb er einfach. Heute ist der Mann mit den kurzen grauen Haaren Nationalparkwächter im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft und führt zu den stillen und wilden Orten der Halbinsel.

Wie etwa zum Vogelbeobachtungspunkt Pramort auf dem Zingst, der östlichsten Spitze der Halbinsel, die zwischen Rostock und Stralsund den Bodden von der Ostsee trennt. Für Autos ist am Schlösschen Sundische Wiese Endstation. Nur per Fahrrad und zu Fuß ist die Kernzone des Nationalparks, zu dem auch die Insel Hiddensee und die Westküste der Insel Rügen gehören, über den neuen Ostseedeich erreichbar.

Jens Bassek

Heidrun Braun / SRT

Jens Bassek

Bassek, im Oliv der Nationalparkwächter und immer präpariert mit einem großen Fernglas, deutet in die weiten Röhrichtzonen. 250 Vogelarten gibt es im Schutzgebiet. Mit Glück können die Hobby-Ornithologen seiner Gruppe Höckerschwäne, Graugänse, Silberreiher, Rohrdommeln und Löffelenten entdecken.

Im Herbst kommen Zehntausende Kraniche dazu, die in dem seichten Wasser des Windwatts rund um Pramort ihre Schlafplätze haben. Wenn sie im September und Oktober einfliegen, ist der Beobachtungsstand regelmäßig rappelvoll.

„Kraniche sind stolz und groß, aber scheu. Sie dürfen hier nicht gestört werden. Die Zahl der Besucher wird deshalb auf 80 beschränkt“, erklärt Bassek. Auf dem Rückweg nach Zingst macht er mit seiner Gruppe ein Abstecher zu Fuß zur 13 Meter hohen Hohen Düne.

Sie ist eine der höchsten Dünenlandschaften an der deutschen Ostseeküste. Vor ihr erstreckt sich der Nordstrand, der nicht betreten werden darf, so groß die Verlockung auch sein mag. Von einer Aussichtsplattform jedoch lassen sich die Wat- und Seevögel beobachten.

Fotolehrer Martin Harms: Festival am Strand

Fotofestival Horizonte Zingst

Heidrun Braun / SRT

Fotofestival Horizonte Zingst

Martin Harms aus Zingst führt keine Tier-, sondern Fotosafaris an: Einer der Lieblingsplätze des Hobby-Fotografen sind jene Abschnitte des Weststrandes nördlich von Ahrenshoop, die nur mit dem Fahrrad zu erreichen sind. Vorbei an Kiefern, Buchen und Erlenbrüchen des Darßwaldes radelt Harms mit seinen Schülern bis an den Strand, wo die Bäume sich längst dem Seewind gebeugt haben und zu skurril geformten Windflüchtern wurden.

Das Wissen für seine Führungen hat Harns sich in der Fotoschule des Max-Hünten-Hauses in Zingst angeeignet. In dem 2011 eröffneten Medienzentrum kann sich rund ums Jahr jeder Fotoapparate und Objektive ausleihen oder Kurse belegen. Außerdem gibt es Ausstellungen, Vorträge und Workshops rund um die Fotografie.

Das besondere Licht der ursprünglichen Ostseelandschaft, die Vögel, Hirsche und Wildschweine des Nationalpark – das zieht auffallend viele Hobby- und Profifotografen auf die Halbinsel. Es ist kein Wunder, dass vor kurzem der Schnappschuss eines Wolfes gelang, der schon lange im Revier vermutet wurde.

Seit zehn Jahren richtet der Badeort zudem ab Ende Mai das Fotofestival „Horizonte Zingst“ aus, das mittlerweile Künstler aus aller Welt anlockt. Kurator Klaus Tiedke beschreibt das Erfolgskonzept so: „Es ist nicht unser Anliegen professionell, sondern gut zu sein.“ Das heißt vor allem, dass den Amateurfotografen genauso viel Wertschätzung entgegengebracht wird wie den Profis.

Cafébesitzer Robert von Wedelstädt: Apfeltorte am Kamin

Robert von Wedelstädt vor dem Café Rosengarten

Heidrun Braun / SRT

Robert von Wedelstädt vor dem Café Rosengarten

Wer zur Hochsaison im Zingster Café Rosengarten einen freien Tisch ergattert, hat Glück gehabt. Denn die Torten hier sind legendär: Robert von Wedelstädt backt im Sommer jeden Tag 35 davon in zwölf Varianten.

Der gelernte Zimmermeister auf Barth hat das strohgedeckte Fachwerkhaus von 1720 in der Strandstraße selbst renoviert, erzählt er. Er hübschte es mit zahlreichen antiquarischen Sammlerstücken zum Café auf – und entdeckte seine Leidenschaft fürs Kuchenbacken. Erst im Herbst wird in dem Raum mit Kamin ruhiger, dann ist auch das Knistern des Kandis in der blauglasierten Teetasse zu hören.

Robert von Wedelstädt ist einer der Gastronomen, Einzelhändler, Hoteliers und Ferienhausvermieter von Zingst, die sich 2016 den Prüfkriterien des Deutschen Tourismusverbandes für die Initiative ServiceQualität stellten. Durch das Projekt sollen touristische Ziele für Besucher attraktiver werden.

Mit mittlerweile 32 zertifizierten Betrieben erhielt das Ostseebad als erste und bislang einzige Gemeinde in Mecklenburg-Vorpommern das Service-Q-Gütesiegel. Während des Prozesses seien die Anbieter in Zingst ein bisschen näher zusammengerückt, heißt es. Sie tauschen ihre Erfahrungen aus und entwickeln neue Ideen.

Ob zum Kranich-Beobachten, Fotografieren oder Kuchenfuttern – per Rad lassen sich die Highlights der Halbinsel am besten erkunden. Da der Zingst nur wenige Meter über dem Meeresspiegel liegt, ist er auf der See- und Boddenseite von Deichen umgeben. Die asphaltierten Deichkronen sind ideale Fahrradwege. Eben und glatt, da sollten Räder wie von selbst rollen – wäre da nicht der sich ständig drehende Wind als Bremse

Heidrun Braun, srt/abl